Wednesday 29 December 2010
Nur noch ein Tag musste ich überstehen. Die Nächte waren lang und ich konnte kaum schlafen, weil ich immer zu an ihn denken musste. Wie ging es ihm wohl in diesem Augenblick? Er ist ganz woanders und am Weihnachtsabend möchte ich, dass er bei mir ist. Ich habe ihn vor zwei Monaten das letzte Mal gesehen und das obwohl wir verheiratet waren. Ich betete jeden Abend vor dem Schlafengehen, denn ich hatte ein ungutes Gefühl. Ich verfolgte die Nachrichten und hoffte, sie würden nichts über ihn bringen. Während ich so auf dem Sofa saß und las, kam es mir so vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich blickte alle zehn Minuten auf die Uhr und hoffte, dass die Zeit schneller verging, doch das tat sie nicht. Nun beschloss ich nach Stella Rose zu sehen und stand auf. Draußen prasselte der Regen an die Scheiben und der Wind heulte. Nun stand ich vor ihrer Zimmertür und fragte mich ob sie schlief. Alles war dunkel, nur der Lichtschein vom Wohnzimmer drang leicht in den Flur. Ich öffnete langsam die Zimmertür und betrat das dunkle Zimmer. Sie lag nicht in ihrem Bett, sie stand am Fenster und blickte hinaus. Ich wunderte mich und ging zu ihr. Sie sagte nichts und starrte. Ich legte meine Hand auf ihre rechte Schulter und sie erschrak.
„Ich wollte dich nicht erschrecken. Kannst du nicht schlafen?“ fragte ich sie.
„Nein, der Regen stört mich.“ antwortete sie nur.
Ich beschloss das Licht über ihrem Bett anzumachen und setzte mich auf ihr Bett.
„Stella, setz dich zu mir.“ sagte ich und legte meine Hand neben mir aufs Bett.
Ohne zu zögern kam sie zu mir und setzte sich erst neben mich, doch dann krabbelte sie ins Bett. Sie blickte mir nicht in die Augen und wich meinen Blicken aus. Ich ahnte Schreckliches. In ihren Augen sah ich große Sorgen, dass hatte sie von ihrem Vater. Er konnte Sorgen und Probleme auch nie verbergen.
„Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?“ fragte ich.
„Nein.“ antwortete sie.
„Dann haben wir ein Problem. Ich möchte, dass du schläfst und ich glaube das kannst du nicht, weil du etwas auf dem Herzen hast. Es geht dir besser, wenn du mit mir darüber redest. Überleg es dir.“
Mit diesen Worten stand ich auf und lief ein paar Schritte Richtung Tür.
„Mum, warte.“ rief sie plötzlich und ich drehte mich wieder zu ihr.
„Lass mich nicht allein.“ sagte sie beinahe ängstlich.
Es schien wirklich etwas nicht zu stimmen, also lief ich wieder zu ihr und setzte mich an ihren Bettrand. Ich nahm ihre Hand und hörte ihr zu.
„Hat Dad sich gemeldet?“ fragte sie.
„Ja vor zwei Tagen.“ erwiderte ich.
„Wann kommt er nach Hause?“ fragte sie.
„Er wollte Morgen kommen, pünktlich zu Weihnachten.“
„Und was ist wenn nicht?“ sagte sie panisch.
„Beruhige dich. Es wird nicht so sein wie letztes Mal. Noch liegt kein Schnee und es sieht auch nicht danach aus. So ein bisschen Regen hält deinen Vater nicht davon ab pünktlich nach Hause zu kommen.“ sagte ich und versuchte sie zu beruhigen.
„Ich habe ihn so lange nicht gesehen. Ich vermisse ihn.“ sagte sie und fing an zu weinen.
Ich nahm sie in den Arm, um sie trösten. Es war nicht leicht für Stella ihren Vater nur so selten zu sehen. Wenn er daheim war, beschäftigte David sich nur mit ihr. Er ließ alles stehen und liegen, nur um mit ihr zu spielen. Stella konnte es nie verstehen, warum ihr Vater nicht wie alle anderen Väter jeden Abend nach Hause kam. Sie tat mir leid.
„Ich vermisse ihn doch auch, meine Süße.“ sagte ich und verdrängte meine Tränen.
„Du trägst seinen Bademantel.“ sagte sie plötzlich.
Darauf erwiderte ich aber nichts. Stella wollte nun versuchen zu schlafen und ich ging aus ihrem Zimmer. Die Tür sollte jedoch offen bleiben, damit sie ihren Vater kommen hörte. Am liebsten hätte sie vor der Eingangstür geschlafen, so aufgeregt war sie. Ich selbst war es aber auch. Ich trug seinen schwarzen Bademantel, weil ich seine Gegenwart fühlen wollte. Er hatte diesen Mantel so oft an, dass er nach ihm roch. Nach seinem lieblings Aftershave, was er zu gerne nach dem Duschen auftrug. Wenn ich in unserem Bett lag, vermisste ich sein Atmen neben mir. Es half mir nach einem anstrengenden Tag beim Einschlafen. Ich sah mich im Schlafzimmer um und öffnete seine Seite des Schrankes. Überwiegend waren es schwarze Sachen, die mir entgegen leuchteten. Selbst die Anzüge waren alle schwarz. Hier und da sah man mal was weißes oder blaues. Irgendwie konnte ich es nicht länger ertragen seine Sachen anzusehen. Er fehlte mir so sehr, ich konnte Stella sehr gut verstehen. Ich wünschte er würde mal ein ganzes Jahr zu Hause bleiben. Nun beschloss ich mich ins Bett zu legen, doch diesmal schlief ich auf seiner Seite. Ich löschte das Licht und kuschelte mich in sein Kissen.

Der Sturm tobte noch die ganze Nacht und ließ mich kaum schlafen. Doch Stella schlief durch. Am frühen Morgen dann hörte ich den Verkehrslärm, obwohl die Fenster geschlossen waren. Ich hörte ein Geräusch und wunderte mich. Wahrscheinlich ging die Kleine nur zur Toilette und ich hatte Recht. Ich war noch zu müde und konnte meine Augen einfach nicht öffnen. So schlief ich weiter und bemerkte, dass sie sich auf die Bettkante setzte. Es störte mich nicht weiter, doch dann fasste sie nach meiner Hand, die ich auf meinem Bauch hatte. Ich bekam eine Gänsehaut, weil ihre Hand so kalt war.
„Stella, warum bist du so kalt?“ flüsterte ich verschlafen.
Ohne etwas zu erwidern ging sie aus dem Zimmer. Ich hatte so ein Gefühl und öffnete meine Augen einen Spalt. Ich hob meinen Oberkörper an und gähnte. Plötzlich erblickte ich neben mir eine rote Rose und wunderte mich. Verwirrt nahm ich sie in die Hand und roch an ihr. Obwohl ich nicht wusste, wie die Rose hierher kam, zauberte sie mir dennoch ein Lächeln auf das Gesicht. Ich blickte zu der Schlafzimmertür und ich traute meinen Augen kaum als ich sah, wer da am Türrahmen stand. David, mein Liebling und wie wunderschön er war. Also war er es, der an meinem Bettrand gesessen hatte. Er trug eine schwarze Anzugjacke, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Hose.
„David.“ entgegnete ich ihm überrascht.
Er kam ein paar Schritte auf mich zu und holte hinter seinem Rücken einen riesigen Strauß rote Rosen hervor. Als er sich zu mir setzte, fasste ich an seine Wange und streichelte sie sanft.
Er schloss die Augen, lächelte und genoss es, bis er sich zu mir beugte und mich küsste.
„Sagte ich dir nicht, dass ich zu Weihnachten wieder da bin.“ sagte er dann.
„Vielen Dank für die schönen Rosen.“ antwortete ich und blickte ihm tief in die Augen.
„Frohe Weihnachten Jen.“ erwiderte er darauf.
„Frohe Weihnachten, mein Schatz.“ sagte ich und umarmte ihn.
Er muss ziemlich früh gekommen sein, dachte ich, denn als ich aufstand und die Rosen in eine Vase stellen wollte, sah ich, dass der Tisch bereits gedeckt war. So lange Stella noch schlief, konnten wir unseren Gefühlen füreinander freien Lauf lassen. Es war so schön, als er mich so fest umarmte und meinen Hals küsste. Wie sehr musste er mich vermisst haben, dass er sich so fest an meinen Körper klammerte. Doch auch ich wollte ihn nicht mehr loslassen und dann stand Stella im Zimmer und beobachtete uns. Dave drehte sich um und lächelte sie an.
„Daddy.“ schrie sie aufgeregt und rannte freudestrahlend auf ihn zu.
Er breitete seine Arme aus und sie sprang ihn an. Er fing sie auf und drehte sich einmal mit ihr im Kreis. Nun war unsere Sehnsucht dahin.

Stella wich ihm nicht mehr von der Seite und schlief sogar bei ihm im Arm ein. Dave sah Fernsehen, während ich Stellas Geschenke verpackte. Sein Geschenk hatte ich bereits verpackt. Ich wollte ihm eigentlich etwas Sonderbares schenken, aber ich konnte bei der Armbanduhr von Rolex nicht widerstehen. Ich war schon sehr gespannt wie sie ihm stehen würde. Auf dem schwarzen Zifferblatt standen Stellas und mein Name in silberner Schrift. Die Farbe schwarz stand ihm wirklich am besten, kein Wunder, dass es seine lieblings Farbe war. Als ich nun endlich fertig war mit dem Verpacken, wollten wir essen. Ich hatte das Essen gestern schon vorbereitet und wollte es holen. Ich betrat die Küche und konnte es nicht glauben. Dave stand mit Stella auf dem Arm vor dem Herd und bereitete das Essen vor.
„Ohne mich zu fragen?“ sagte ich und stellte mich dazu.
„Wir wollten dich eigentlich überraschen, aber wir konnten ja nicht ahnen, dass du so schnell schon fertig bist mit den Geschenken.“ antwortete er.
Ich seufzte und nahm mir das Besteck aus dem Kasten, um den Tisch zu decken.
Eine Stunde später saßen wir dann beim Essen und niemand sagte ein Wort. Wir hatten noch den ganzen Abend vor uns und nun überlegte ich. Nach dem Essen gab es Geschenke und dann? Ziemlich schnell waren wir fertig und räumten alles in die Küche. Ich holte die Geschenke mit Dave aus dem Schlafzimmer, während Stella im Wohnzimmer blieb und ungeduldig wartete. Dann kamen wir vollgepackt mit Geschenken wieder ins Wohnzimmer und die Kleine strahlte. Sie packte ihre Geschenke gleich aus, während wir noch warteten. Von mir bekam sie ein blaues Designerkleid, worüber sie sich sehr freute, weil sie es sich gewünscht hatte. Dave schenkte ihr eine Silberkette mit einem Herzanhänger, der in der Mitte einen Diamanten hatte. Man konnte es aufklappen und darin stand: Ich werde immer bei dir sein, dein Daddy. Sie umarmte uns alle beide und gab uns einen Kuss.
Jetzt waren wir dran. Ich sollte meins zuerst aufmachen, also tat ich es. Was immer es auch war, es befand sich in einer edlen, schmalen silbernen Schachtel. Er umarmte mich, als ich den Deckel der Schachtel aufklappte. Es leuchtete mir ein Armband entgegen.
„Mein Gott.“ sagte ich fassungslos und hielt mir die Hand aufs Herz.
Das musste ein Vermögen gekostet haben. Es war ein weißgoldenes Armband verziert mit blauen Diamanten. Und auf der Rückseite war eine Gravur. Sein Name und unser Hochzeitsdatum. Er machte es um mein rechtes Handgelenk.
„Gefällt es dir?“ fragte er.
„Es ist wunderschön. Das kann man kaum in Worte fassen. Wie viel du dafür bezahlt hast, möchte ich nicht wissen.“ sagte ich immer noch geschockt.
„Für dich ist mir kein Preis zu hoch, dass weißt du doch.“ antwortete er nur.
„Danke, mein Schatz.“ sagte ich und küsste ihn.
Nun war er am Zug. Er öffnete die Schachtel ganz langsam und legte seinen Kopf bei mir auf die Schulter. Als Dave dann die Uhr erblickte lächelte er.
„Du wusstest genau, was ich haben wollte oder?“ sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich habe sie mit ausgesucht.“ rief Stella.
„Schön, sie gefällt mir sehr.“ erwiderte Dave.

Nach all dem redeten wir stundenlang über unser Leben getrennt voneinander. Er bat mich ihn nächstes Mal auf ein Konzert zu begleiten und ich sagte zu, da ich nächstes Jahr eh noch nicht viel vorhatte. Am späten Abend brachte er Stella ins Bett. Dave blieb immer so lange an ihrer Bettkante sitzen, bis sie eingeschlafen war. Ich zog mich im Schlafzimmer um und sah seinen Anzug auf dem Stuhl am Fenster liegen. Ich nahm ihn und sah ihn mir genau an. Nun sah ich aus dem Fenster und träumte, dabei umarmte ich in Gedanken seinen Anzug ganz fest. Dave betrat das Schlafzimmer und sah mich so vor dem Fenster stehen. Ich verlor eine Träne, als es anfing zu schneien. Er kam zu mir und nahm mir den Anzug ab. Er legte ihn zur Seite und legte meine Arme um seinen Körper. Wir hielten uns für eine Ewigkeit aneinander fest.
„Nun brauchst du nicht mehr meine Sachen zu umarmen.“ meinte er.
„Du hast mir so gefehlt. Was blieb mir denn von dir, außer deinen Sachen?“ fragte ich traurig.
„Nächstes Jahr halte ich mich zurück, dass verspreche ich dir, Jen.“
„Das sagst du jedes Jahr. Wir wissen beide, was dieses Jahr geschehen ist. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie es war für mich zu hören wie schlecht es dir geht? Dann erfahre ich auch noch das du in ein Krankenhaus gekommen bist.“ sagte ich und schluchzte.
„Ich weiß, ich weiß.“ stimmte er zu.
Seine Stimme klang sanft und ruhig. Ich wollte ihm nur klar machen, dass dieses Jahr keinesfalls gut war. Ich hatte nicht vor mit ihm zu streiten, aber diese Worte lagen mir schon seit Monaten auf der Zunge. Ich hoffte nur, dass er sein Versprechen hielt.
Nach einer Weile gingen wir dann ins Bett. Es war schön ihn wieder neben mir zu haben, mit der Gewissheit, dass es ihm auch wirklich gut ging.

Der nächste Tag begann ruhig und mit sehr viel Schnee. In New York war es meistens laut, doch heute war nichts zu hören. Kein Verkehrslärm, kein Fluglärm, einfach gar nichts. Wir frühstückten im Bett und sahen Frühstücksfernsehen. Das erste Mal in diesem Jahr fühlte ich mich wieder wie eine Ehefrau mit Familie. Jimmy war heute Morgen auch wieder zu Hause. Er war bei meinen Eltern, weil sie es ihm versprochen hatten.
Dave und ich gingen später essen und wollten allein sein. Jimmy sollte währenddessen auf Stella aufpassen. Das Abendessen war recht gut, auch wenn mir in dem Laden furchtbar kalt war. So teuren Champagner hatte ich das letzte Mal bei einer Filmpremiere getrunken und das war schon 3 Jahre her. An diesem Abend beeindruckte er mich sehr. Dave war so offen wie noch nie zuvor. So wünschte ich mir, dass dieser Abend niemals verging. Während wir saßen und aßen verlor keiner von uns auch nur ein Wort. Ich hatte ihm noch so viel zu sagen, aber wir saßen nur da und hielten stundenlangen Blickkontakt. Unsere Blicke sagten mehr als Worte je sagen konnten. Doch so angenehm es auch war, es neigte sich dem Ende zu, aber ich wollte noch nicht nach Hause. Und so machten wir noch einen Spaziergang durch den Central Park. Alles war verschneit und voller Nebel. Wir wanderten Hand in Hand am Ufer des kleinen Sees entlang und sahen die ersten Eisschollen auf dem Wasser. Wir blieben unter einer verschneiten Weide stehen und blickten hoch hinauf. Schneeflocken landeten in meinem langen dunkel braunen Haar und schmolzen nicht. Dave sah mich dann von der Seite an, als ich mir ein paar Schneeflocken aus den Haaren sammelte.
„Man könnte meinen, dass du eine Schneeprinzessin wärst.“ sagte er und schmunzelte.
„Nur weil ich einen weißen Mantel trage?“ fragte ich mit einem Lächeln.
„Nicht nur deswegen“, sagte er und umarmte mich, „Du bist einfach wunderschön.“
„Wartest du immer erst auf so einen schönen Moment, bevor du mir so etwas sagst?“ fragte ich und sah ihm in die Augen.
Dave streichelte mein Gesicht und ich konnte einfach nicht länger warten. Wir küssten uns und das nicht nur einmal.
„Ich liebe dich, Jen.“ flüsterte er.
Da war es wieder, der Duft des Aftershaves, als er mir mit seinen Lippen sanft über den Hals streifte. Seine Bartstoppeln kratzten so schön auf meiner Wange, dachte ich, als wir uns erneut küssten.
„Ich liebe dich auch, David.“ sagte ich und genoss unsere letzten Zärtlichkeiten.
Dieser Moment wird mir noch lange im Sinn bleiben, denn es war einer der Schönsten, den ich jemals mit ihm teilen durfte. Und so verschwanden wir in den dichten Nebelbänken der verschneiten Straßen und stiegen in unser Auto, wo wir uns noch einmal küssten und dann mit dem Wind im Rücken davonfuhren.